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Ganzheitliche Förderung mit Motopädie und Reiterhof

Motopädie

Seit 2004 werden die Kinder der ersten und zweiten Klasse der Augusta-Sibylla-Schule von Conny Ballerstaedt durch Motopädie gefördert.

Doch was ist Motopädie? „Motopädie ist eine Methode zur Behandlung psycho-, senso- und soziomotorischer Leistungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ (Wikipedia).

„Zentraler Ansatz der Motopädie ist die Bewegung und die Wechselwirkung zwischen dem Körper und der Psyche des Menschen. … Bewegung wird verstanden als ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung in der Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Körper sowie mit dem materialen und sozialen Umfeld.“ (Deutscher Berufsverband der Motopäd*innen/Mototherapeut*innen – DBM) Motopäd*innen arbeiten ganzheitlich und ressourcenorientiert.

„Charakteristische Merkmale für die motopädische Arbeitsweise sind:

  • Körper, Geist und Seele als funktionale Einheit,
  • Mehrdimensionalität,
  • die Beziehung zum Menschen als Grundlage,
  • Ressourcenorientiertheit,
  • Achtung und Einbeziehung der Emotionalität,
  • Handlungs-, Erlebnis- und Konfliktorientiertheit,
  • Selbstwirksamkeit, Formung eines positiven Selbstkonzeptes,
  • Aktivierung von Selbstheilungskräften,
  • Nutzung gruppendynamischer Prozesse,
  • Berücksichtigung systemischer Faktoren.“ (DBM)

In der Augusta-Sibylla-Schule werden Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten unterrichtet. Damit einher gehen sehr häufig Konzentrationsprobleme, sozial-emotionale und motorische Schwierigkeiten. Ein Schwerpunkt der Arbeit der Fördergemeinschaft liegt bei den jüngsten Schüler*innen. Für sie soll in allen Bereichen eine gute Grundlage für ihre Schullaufbahn geschaffen, ihre Persönlichkeitsentwicklung und das Miteinander gefördert werden. Der ganzheitliche Ansatz der Motopädie eignet sich als ein Bestandteil der frühen Förderung hervorragend.

Das Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen mit dem gesamten Körper und allen Sinnen wird angeregt und unterstützt. Das Kind erhält die Möglichkeit, gleichzeitig auf verschiedenen funktionellen Ebenen zu lernen. Um die notwendigen Reize und Informationen zu erhalten, wird mit attraktiven Materialien die Freude am Lernen geweckt und die Vielfalt der Sinnes- und Bewegungssysteme angesprochen. Im Wahrnehmungsbereich werden einzelne oder mehrere Wahrnehmungssysteme stimuliert. Im Bewegungsbereich werden Aufgaben zum grob- oder feinmotorischen Lernen, zur Schulung von Koordination und Gleichgewicht und zum Verbessern von Geschicklichkeit und Kraftdosierung bewältigt. Ohne Leistungsdruck wird der psycho-emotionale Bereich angesprochen. Die Förderung des Selbstbewusstseins und die Übernahme von Eigenverantwortung sind Ziele der Arbeit. Durch das Miteinander im Spiel und die notwendige gegenseitige Rücksichtnahme wird das soziale Lernen gefördert.

Von Anfang an war Conny Ballerstaedt – Erzieherin und Motopädin – die Fachkraft, die alle Kinder der ersten und zweiten Klasse begleitet hat. Im Laufe ihrer Tätigkeit hat sie das umfassende Testverfahren BOT-2 in ihre Förderung aufgenommen. Testergebnisse, Beobachtung und gemeinsames Tun ermöglichen in der Kombination eine noch gezieltere Förderung der jüngsten Schüler*innen. Frau Ballerstaedt arbeitet mit den Kindern in Kleingruppen. Sie gibt Empfehlungen wie die Förderung im Schulalltag, beispielsweise im Sportunterricht, und im privaten Bereich weitergeführt werden kann, um nachhaltig wirksam sein zu können.

Das Projekt wurde in den ersten Jahren von der Aktion Mensch, dem Kiwanisclub Baden-Baden, aus dem Erlös des Schulfestes und aus eigenen Mitteln des Vereins finanziert.

Seit 2008 wird es unterstützt vom Landkreis Rastatt mit einer Spende aus seinem Sozialfonds und inzwischen zusätzlich vom Soroptimist Club Murgtal.

BOT-2

Der Bruininks-Oseretzky Test of Motor Proficiency Second Edition (BOT-2) ist ein standardisiertes Testverfahren zur Messung der motorischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen. In englischsprachigen Ländern ist er bereits seit vielen Jahren etabliert und wird zur Diagnostik, Therapieplanung und Evaluation in der Praxis und Forschung eingesetzt

Der BOT-2 wird  in der aktuellen Leitlinie für Kinder mit Umschriebenen Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen (UEMF) empfohlen.

Der BOT-2 erfasst die Altersstufen von 4 bis 14;11 Jahren und zeichnet sich durch kindgerechte motorische Aufgaben aus. Die acht Untertests, mit insgesamt 53 Aufgaben, decken dabei verschiedene Bereiche der Motorik ab. Insbesondere die Bereiche Fein- und Graphomotorik, Handgeschicklichkeit, Körperkoordination, Gleichgewicht sowie Kraft und Geschicklichkeit werden im Vergleich zu anderen Testverfahren ausführlicher erfasst und beurteilt.

 

Reiterhof

Ganzheitliche Förderung von Anfang an

Ab auf den Reiterhof, hieß es an einem sonnigen Frühlingstag und ich durfte als Berichterstatterin wieder einmal teilnehmen beim therapeutischen Reiten auf dem Pferdehof „Pferdestärken“ in Rastatt. Ein Bus brachte die Schüler/innen der Klasse 2/3 der Augusta-Sibylla-Schule – SBBZ Lernen – ihre Klassenlehrerin, die Motopädin der Schule, eine junge Frau im Freiwilligen Sozialen Jahr und drei Schüler/innen der Oberstufe auf den Reiterhof. Von Frau Freyer, der Chefin auf dem Pferdehof – sie ist Reitlehrerin und Sozialädagogin - wurden sie bereits erwartet. Zu Beginn versorgten immer zwei Kinder ein Pferd. Die Tiere wurden gestriegelt, die Hufe wurden ausgekratzt, Streicheleinheiten wurden ausgeteilt und ein Pferd wurde mit einem geflochtenen Pferdeschwanz verschönert. Auf dem Gelände durchliefen alle Kinder verschiedene Stationen: Turnen auf dem Holzpferd, auf dem „richtigen“ Pferd sitzen und geführt werden, durch einen kleinen Parcours das Pferd lenken und das Voltigieren. Die jugendlichen Oberstufenschüler/innen fungierten als Assistenten. Sie erfüllten ihre Aufgabe behutsam, ausdauernd und verantwortungsvoll. Schon die Stimmung auf dem Hof förderte das Gemeinschaftserleben und schaffte eine entspannte Atmosphäre. Auch die Kinder, die sich anfänglich vorsichtig den Pferden genähert hatten, trauten sich auf dem Pferd zu sitzen.
Beim Voltigieren wurde in die Hände geklatscht und die Zügel losgelassen, sich groß gemacht, auf dem Pferd gekniet, mit und ohne Festhalten. Unter Jauchzen baten einige Kinder Frau Freyer darum, dass das Pferd schneller laufen sollte. Zum Abschluss verwöhnten die Kinder die Pferde mit Karotten. Ich erlebte zwölf mutige Kinder, die mit viel Freude lernten. Gut nachvollziehen konnte ich, dass die Klassenlehrerin nach den eineinhalbstündigen Einheiten auf dem Reiterhof positive Auswirkungen im Schulalltag erlebt. Sie berichtet von günstigem Einfluss auf die sozialen Kompetenzen, Stärkung der Klassengemeinschaft und der Teamfähigkeit, bessere Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und wachsendem Selbstvertrauen.


Als Fördergemeinschaft der Augusta-Sibylla-Schule in Rastatt ist uns die frühe Förderung der Grundstufenschüler/innen ein sehr großes Anliegen. Individuelle Förderung, Entwickeln von Gemeinschaftsfähigkeit und eine solide Grundlage für die schulische Laufbahn sind die Ziele für die lernbeeinträchtigten und vulnerablen Kinder. Schule und Fördergemeinschaft haben dazu ein Konzept entwickelt und stetig fortgeschrieben. Alle Schüler/innen der Grundstufe sind seit fast 14 Jahren in die motopädische Förderung durch Conny Ballerstaedt einbezogen. Seit mehr als 6 Jahren fahren die Jüngsten der Schule zusätzlich zum Reiterhof. Das Reiterhofprojekt, anfangs von der Schulsozialarbeiterin initiiert und ins Laufen gebracht, wurde später von Frau Ballerstaedt übernommen und perfektioniert.

 

 

Die Motopädie behandelt psychomotorische Leistungs- und Verhaltensauffälligkeiten. Ihr Ansatz ist die Bewegung und sie nutzt die Wechselwirkungen zwischen dem Körper in Bewegung und der Psyche des Menschen. Im Umgang mit den Pferden kommt ein Lebewesen dazu, auf das sich die Kinder einlassen müssen. Rücksicht nehmen, unmittelbare Reaktionen bekommen und Körperkontakte erleben erweitern die Arbeit mit Geräten und Materialien. Im Umgang mit den Pferden werden alle Sinne angesprochen. Alle Muskeln und Gelenke kommen in Bewegung. Inneres Gleichgewicht und neue Bewegungsmuster finden, sind weitere Effekte. Wenn die Eltern ihr Einverständnis dazu geben, testet Frau Ballerstaedt die jüngsten Schüler/innen mit einem standardisierten Testverfahren (BOT-2) zur Messung der motorischen Fähigkeiten von Kindern. In der Motopädie und auf dem Reiterhof kann sie damit noch gezielter auf einzelne Kinder und die Klasse als Gruppe eingehen.
Entstanden ist so ein ganzheitliches, ressourcenorientiertes Förderprogramm, an dem alle Grundstufenschüler/innen mit viel Freude und großem Lerneifer teilnehmen. Ein Gewinn für alle Kinder ist die personelle Konstanz, nicht nur im Einsatz von geeigneten, fachlich kompetenten und förderlichen Übungen, sondern als verlässliche, mutmachende Bezugsperson.
Das Einbeziehen der Oberstufenschüler/innen gehört zum Gesamtprojekt. Sie übernehmen wichtige Aufgaben als Assistenten und üben sich in der Verantwortungsübernahme.
Die Motopädie in Verbindung mit dem therapeutischen Reiten ist ein Angebot der Fördergemeinschaft Freunde der Augusta-Sibylla-Schule e.V. Ein solches Angebot über Jahre zu finanzieren, bedeutet eine große Herausforderung für den Verein. Stiftungen halfen in den ersten Jahren, Aktionen wie Altpapiersammlungen oder Suppenverkauf auf dem Markt ergänzten. Ein Serviceclub, der Soroptimist-Club Murgtal e.V., übernimmt  seit 2017 die Finanzierung der Stunden auf dem Reiterhof bis zum heutigen Tag, was für uns eine große Erleichterung bedeutet. Für die Buskosten kommt der Schulträger auf.

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